«Die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit erfordert mehr Personal»
Michael Zürcher ist seit über zwei Jahren Personalchef Verteidigung. Etienne Bernard, Zentralsekretär von swissPersona, hat ihn zu seinen Eindrücken sowie zu den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen interviewt.
Etienne Bernard
Zentralsekretär swissPersona
Etienne Bernard: Vielen Dank Michael, dass du dich für dieses Interview zur Verfügung gestellt hast. Du bist nun seit dem 1. März 2023 Personalchef Verteidigung. Wie hast du in dieser Zeit die Armee und deren Mitarbeitende kennengelernt?
Michael Zürcher: Die Einführungszeit war intensiv und spannend. Da ich von ausserhalb der Bundesverwaltung in diese Rolle gekommen bin, habe ich rund ein Jahr benötigt, um das komplexe Gesamtsystem von Bund, Departement und der Verteidigung zu verstehen und insbesondere deren Zuständigkeiten, Personen und Abhängigkeiten kennenzulernen. Ich bin in diesen zwei Jahren sehr vielen engagierten und motivierten Mitarbeitenden begegnet, die sich mit grossem Stolz für unsere Armee und für die Sicherheit der Schweiz einsetzen.
Du warst zuvor im Spitalbereich tätig. Was ist der grösste Unterschied, den du in deiner neuen Tätigkeit festgestellt hast?
Ich beginne mit den Gemeinsamkeiten. Auch in einem Spital gibt es verschiedene Berufsgruppen, die gemeinsam auf dieselben Ziele hinarbeiten. Zudem stehen Spitäler ebenfalls vor der Herausforderung, sich als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren. Themen wie Fachkräftemangel, Digitalisierung und Kulturentwicklung sind dabei entscheidend für die Zukunft.
Der Hauptunterschied liegt bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Im Gesundheitswesen können Organisationen nur bestehen, wenn sie betriebswirtschaftlich optimal geführt werden und ihre Investitionen selbst erwirtschaften, sie müssen also Gewinne erzielen. Das prägt sämtliche Abläufe spürbar und hat auch Auswirkungen auf die Rolle und die Aufgaben der Personalleitungen.
Und was die Kultur betrifft?
Kulturelle Unterschiede sind nur minimal spürbar. In beiden Organisationen begegnet man häufig einer Kultur, welche von Silodenken geprägt ist und es bestehen auch Parallelen in eher hierarchisch geprägten Strukturen. Auch die Führungskräfteentwicklung beschäftigt sich mit ähnlichen Themen wie moderne Führungsansätze, Innovationskultur oder Agilität. Unterschiede zeigen sich im Umgang mit Diversität und Inklusion. In den Spitälern sind diese wichtigen Themen weiter fortgeschritten als in der Gruppe Verteidigung, gut sichtbar bei der Geschlechterverteilung, bei Teilzeitarbeit oder bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.
Wie wichtig ist dir der Kontakt zu den Angestellten vor Ort und wie pflegst du ihn?
Gerade für jemanden wie mich, der vor allem im Grossraum Bern in Sitzungen und in Büros beschäftigt ist, besteht die Gefahr, den Bezug und auch den Kontakt zu den Mitarbeitenden an unseren über 100 Standorten zu verlieren. Ein Highlight für mich ist deshalb ein monatlicher Besuch unserer Belegschaft vor Ort: sei es auf unseren Waffenplätzen, in den Logistikzentren oder an allen anderen Standorten. Diese Besuche ermöglichen mir den direkten Austausch und geben mir einen guten Überblick über die Themen, die die Mitarbeitenden an der Front beschäftigen. Ich nutze diese Rückmeldungen jeweils als Anregung zur Weiterentwicklung unserer Prozesse und Instrumente, schätze dabei insbesondere auch den persönlichen Kontakt. Es ist jeweils spannend zu erfahren, welche Themen unsere Angestellten vor Ort beschäftigen und dass es uns oft mit wenig Aufwand möglich ist, deren tägliche Arbeit zu erleichtern.
Wie hoch ist die Zufriedenheit der Arbeitnehmenden und welche Faktoren werden am meisten und am wenigsten hervorgehoben?
Die letzte Personalbefragung aus dem Jahr 2023 ergab für die Gruppe Verteidigung eine Arbeitszufriedenheit von 74 Punkten (von 100). Dieser Wert liegt damit über dem Durchschnitt der Bundesverwaltung (71 Punkte) und im mittleren positiven Bereich.
Am stärksten hervorgehoben wurde in der Umfrage die Arbeitsfreude, die mit 80 Punkten über den Werten des VBS (79 Punkte) und der Bundesverwaltung insgesamt (76 Punkte) liegt. Ebenfalls positiv sticht das Commitment hervor, das mit 83 Punkten ebenso über den Vergleichswerten liegt und eine hohe Identifikation und Engagement der Mitarbeitenden für die Armee verdeutlicht.
Am schwächsten bewertet wurde der Bereich Arbeitsabläufe und Entscheidungsprozesse mit 57 Punkten. Dieser Wert liegt im Vergleich zum VBS (56 Punkte) und der Bundesverwaltung (57 Punkte) ebenfalls am unteren Ende und zeigt ein klares Verbesserungspotenzial. Die Armeeführung hat aus diesem Grund gezielte Massnahmen abgeleitet, um die Arbeitsabläufe und Entscheidungsprozesse zu vereinfachen. Unter anderem läuft dazu eine Aktivität zur Deregulierung unserer Prozesse.
Die Kürzungen in den Betriebsausgaben sind ein Dauerthema. Insbesondere bei der Logistikbasis der Armee (LBA) haben sie nicht nur schmerzhafte Folgen für das Personal, sondern auch für die Einsatzbereitschaft der Truppe. Wie gehst du mit diesem Dilemma um?
Das ist in der Tat eine grosse Herausforderung. Einerseits ist es unser Auftrag, die Truppe durch einen guten Service und die Bereitstellung der notwendigen Systeme und Materialen bestmöglich auszurüsten und zu unterstützen. Andererseits sind wir mit diversen Sparaufträgen konfrontiert, die zu Personalreduktionen führen und damit unseren Auftrag gefährden. Wir sind deshalb bestrebt, unsere Prozesse so effizient wie möglich zu gestalten und unser Personal nicht mit unnötiger Bürokratie und übermässigen Regulierungen zusätzlich zu belasten. Zur weiteren Stärkung der Verteidigungsfähigkeit wird die Gruppe Verteidigung in vielen Bereichen auf mehr Personalressourcen angewiesen sein.
Ist eine Verbesserung in Sicht?
Im Rahmen der erhöhten Rüstungsausgaben ist auch eine partielle Erhöhung des Personalbestandes geplant. Ob und in welchem Umfang dies umgesetzt wird, hängt von den jährlichen Budgetierungsprozessen und dem vom Parlament festgelegten Personalkredit ab.
Die Finanzlage des Bundes führt zu Stellenstreichungen und sogar zu Entlassungen in bestimmten Departementen. Muss man im Verteidigungsbereich Bedenken haben?
Die Gruppe Verteidigung nimmt jeweils eine sorgfältige Planung des zur Verfügung stehenden Personalkredites vor. Auch wenn es zu Sparaufträgen kommt, wird alles unternommen, diese wenn immer möglich durch natürliche Fluktuation aufzufangen.
Was ist deiner Meinung nach die grösste Herausforderung von morgen?
In den nächsten sechs Jahren wird die Gruppe Verteidigung rund 25% ihres Personals und in den nächsten zehn Jahren sogar 33% in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden. Die dadurch entstehende Wissenslücke durch die Gewinnung und Entwicklung von qualifiziertem Personal zu schliessen und gleichzeitig das bestehende Personal langfristig an die Gruppe Verteidigung zu binden, stellt eine der grössten strategischen Herausforderungen dar.
Was sind deine Erwartungen an swissPersona?
Ich freue mich sehr, dass wir die bisher konstruktive und gute Zusammenarbeit weiterführen können. Es ist mir wichtig, dass wir uns transparent und ehrlich über aktuelle Themen und Herausforderungen austauschen können. Ich danke swissPersona dafür, dass der Verband auch weiterhin die Bedürfnisse unserer Belegschaft aktiv unterstützt.
Hast du zum Schluss noch eine Botschaft an die Mitarbeitenden?
Herzlichen Dank, dass ihr euch tagtäglich, trotz herausfordernder Umstände, für unsere Organisation, unsere Truppe und letztlich für die Sicherheit unseres Landes einsetzt.
Herzlichen Dank für das Interview! ■ (Michael Zürcher, Personalchef Verteidigung) (Bild: VBS)