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Interview mit Michelle Mägerle, CHRO RUAG MRO Holding AG

«Jeder Mitarbeitende bei RUAG kann mitgestalten und wird ernst genommen»

Das Jahr 2020 war für alle ein besonderes Jahr. Das Corona-Virus hat vieles durcheinander gebracht, in Frage gestellt und es hat jeden einzelnen Menschen vor enorme Herausforderungen gestellt. Für die RUAG MRO Holding war dieses Jahr aber in doppeltem Sinn ein ausserordentliches. Denn, neben der Flexibilität, die in den Massnahmen zur Eindämmung des Virus‘ gezeigt werden musste, gab es zwei grosse Herausforderungen zu meistern. Die eine lag darin, das frisch entflochtene und neu eigenständige Unternehmen so aufzustellen, dass in eine erfolgreiche Zukunft gestartet werden konnte. Die andere ergab sich aus der ersten: Das Geschäft musste währenddessen störungsfrei und zur vollsten Zufriedenheit der Kunden weiterlaufen. Eine Herkulesaufgabe, bei welcher der Bereich Human Resources als Bestandteil der Geschäftsleitung eine massgebende Rolle spielte. Nicht nur mussten die Mitarbeitenden in mühsamer Klein- und Handarbeit Systeme mit verschiedensten Daten aller Mitarbeitenden umstellen. Es brauchte auch ein gerütteltes Mass an Denk- und Konzeptionsarbeit, damit der Wandel von allen Mitarbeitenden mitgetragen werden konnte. Michelle Mägerle steht als Chefin des Bereichs Human Ressources (HR) an vorderster Front und hatte zusammen mit ihrem Team in diesem Jahr mehr als alle Hände voll zu tun.

 

Interview Franz Gobeli
Zentralvorstand swissPersona

 

Franz Gobeli: Frau Mägerle, wer sind Sie? Würden Sie sich beschreiben?

Ich empfinde es gar nicht als so wichtig, wer ich bin. Viel wichtiger ist mir, wer unser Team ist, wer HR bei RUAG ist. Ob ich als Person nun der Kopf bin oder jemand anderes, ob ich es bin, die vorausgeht und versucht, den Weg zu ebnen oder jemand anderes das tut, ist für mich persönlich nicht so wichtig. Ich tue mich schwer, mich selbst zu beschreiben – ich bin einfach ich (lacht). Nein im Ernst, ich bin ein positiver Mensch und lache deshalb gerne und oft. Ich bin auch ein sehr kreativer Mensch und versuche, diese Kreativität zu leben. Ich möchte nicht in festgefahrenen Bahnen denken, sondern versuche ganz bewusst und jeden Tag, mir die Fähigkeit der geistigen Flexibilität nicht nur zu bewahren, sondern sie auch zu erweitern. Lösungen für komplexe Aufgaben lassen sich manchmal nur mit Denkansätzen finden, die auf den ersten Blick aussergewöhnlich oder sogar verrückt klingen. Auf den zweiten Blick zeigt sich aber, und diese Erfahrung mache ich oft, dass genau diese «out of the box»-Ansätze mindestens Teil der Lösung sein können. Leider habe ich nicht immer genügend Raum und Zeit zum Denken, weil viel anderes auch getan werden muss. Aber das gehört zum Job dazu und ich will mich darüber nicht beschweren. Ich finde, dass ich den besten Job der Welt habe.

Michelle Mägerle: Was fasziniert Sie an Ihrer Aufgabe?

Mich fasziniert und begeistert, ein ganzes Unternehmen oder verschiedene Teams oder aber auch einzelne Individuen zu begleiten, damit sie zu ihren Bestleistungen finden. Ebenso wichtig ist es mir, dass es den Leuten dabei gut geht. Schon als ich mich dazu entschloss, Weiterbildungen zum Business Coach oder im Bereich Change Management zu absolvieren, war das der Antrieb. Ich wollte, dass die Mitarbeitenden in einem Unternehmen eingebunden und mitgenommen werden, wenn grosse Veränderungen anstehen. Nur wenn alle mitziehen und mit Überzeugung hinter den Chefs stehen, kann ein Unternehmen erfolgreich sein.

RUAG ist an vielen Standorten in der Schweiz präsent. Wie organisiert man die HR-Betreuung von so vielen, dezentralen Standorten?

Es braucht ausserordentlich grosse Flexibilität, unter anderem was die Mobilität betrifft. Meine Leute müssen bereit sein, viel und oft an andere Standorte zu reisen. Ausserdem muss ich über ein Team verfügen, das gemeinsam mit mir am gleichen Strang und am «Karren» zieht, wie es so schön heisst. Die Zeit der Pandemie mit Lockdown und unseren eigenen strengen Reisebeschränkungen haben wir genutzt, um Lösungen zu finden, so viel wie möglich online zu erledigen. Zweckmässige und funktionierende Alternativen für jede mögliche Situation zu finden, war nicht ganz einfach – für eine Schulung oder einen Workshop braucht es andere Möglichkeiten als für eine einfache Telefonkonferenz. Viele Dinge funktionieren bereits gut, bei anderen gibt es durchaus noch Verbesserungspotenzial. Dabei wäre es auch ohne Corona nicht langweilig geworden: Im Zuge der Entflechtung des RUAG-Konzerns mussten meine Leute aus dem Payroll-Team die Aufteilung der Mitarbeitenden auf die beiden neuen Unternehmen an die Hand nehmen und dafür sorgen, dass jeder und jede bei der RUAG AG auch nach der Auftrennung den richtigen Lohn zur richtigen Zeit bekommt. Das sind immerhin über 2600 Mitarbeitende, von denen jeder einzelne von Hand dem richtigen Umfeld zugewiesen werden musste – inklusive der Überprüfung von Lohn- und persönlichen Daten oder Arbeitsort. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Ich bin sehr stolz auf mein Team und auf das, was es alles in dieser kurzen Zeit bereits geschafft hat.

Als Personalchefin wird Ihnen das Thema Work-Life-Balance nicht ganz unbekannt sein. Wie gehen Sie mit Ihren eigenen Ressourcen um? Wie laden Sie ihre Batterien auf?

Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach. Ich glaube, die «Haupttankstelle» für mich persönlich sind die Inhalte in meinem Job. Daraus nehme ich ganz viel Kraft und Freude. Ich weiss aber auch, dass ich ganz bewusst auch auf mich achten muss und mir meine Ruhepausen nehmen muss. Das tue ich auch – vielleicht nicht so oft wie ich sollte, aber ich werde immer besser (lacht). Neben den Ferien geniesse ich aber die kleinen «Inseln» sehr, die ich mir schaffe: ein Spaziergang im herbstlichen Wald und dem dazu gehörenden Laubrascheln, etwas Gutes kochen, ein gutes Buch lesen und mit Familie oder Freunden Zeit verbringen, über anderes reden und vor allem zuhören. Zum Gleitschirmfliegen – eine meiner Leidenschaften – komme ich im Moment leider nicht. Aber es werden auch wieder ruhigere Zeiten kommen.

Thema Fachkräftemangel: Wie ist die RUAG davon betroffen und sehen Sie Massnahmen, der Situation gegenüberzutreten?

RUAG ist wie viele andere Unternehmen davon betroffen; bei uns gibt es sehr viele handwerkliche Berufe. Wir bilden selbst pro Jahr 270 Lernende in 15 verschiedenen Berufen aus. Natürlich wollen wir diese Leute nach Abschluss ihrer Ausbildung behalten. Das gelingt uns bei vielen, aber nicht bei allen. Eine Massnahme ist sicherlich die so genannte ganzheitliche Karriereplanung. Egal, ob jemand später ins Militär will oder eine weiterführende Schule besuchen möchte – eine HF zum Beispiel – oder ein Studium anhängen will; bei uns und mit uns kann er oder sie seine oder ihre Karriere eben ganzheitlich planen. Auf diese Weise entsteht Sicherheit. Es geht aber bei RUAG nicht nur um die jungen Leute. Unsere Bevölkerung wird immer älter. Sie wird aber nicht nur älter, sondern sie bleibt auch fitter und aktiver. Viele möchten lieber nicht aufhören zu arbeiten. Also weshalb nicht Modelle für diese so genannte Silver Society entwickeln? Wir könnten von deren Erfahrung nur profitieren.

Daneben habe ich das Gefühl, dass wir zwar ganz viel für unser duales Bildungssystem tun, aber zu wenig darüber sprechen. Ich höre heute so oft, dass nur ein Studium das Richtige sein kann und dass Ausbildungen in handwerklichen Berufen zunehmend verpönt sind. Dabei ist es doch genau dieser duale Weg, der die Schweizer Wirtschaft so erfolgreich macht. Nirgends sonst auf der Welt gibt es ein solches System, alle anderen bewundern uns dafür; also weshalb schätzen wir es selbst nicht wert? Es gibt doch nichts Besseres als eine Lehre als Grundausbildung, auf der man dann aufbauen kann. Jemand, der eine Lehre gemacht hat, bringt schon ganz viel mit und steht bereits mitten im Arbeitsleben. Nichts gegen ein Studium, aber es braucht eben beides, um so erfolgreich zu sein wie die Schweiz!

Wie wichtig ist das Thema «Diversität» bei RUAG und wie gehen Sie es an?

Diversität hat mit Haltung und Toleranz zu tun. Es geht dabei nicht nur um Mann und Frau oder andere, es geht auch um Jung und Alt, und es geht um verschiedene Hintergründe, seien das Herkunft, Religion oder Hautfarbe. Und es geht dabei um Inhalte, die eigentlich bereits seit langer Zeit gesetzlich geregelt sind, wie zum Beispiel Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen. Darüber sollten wir nun wirklich nicht mehr reden müssen; das muss einfach umgesetzt und getan werden. Wir bei RUAG tun das. Und wir tun noch viel mehr. RUAG wirkt nach aussen immer ein bisschen martialisch, weil man uns immer noch fast nur mit Rüstung verbindet. Ich habe aber selten in einem Unternehmen eine so grosse Toleranz erlebt: Unsere Mitarbeitenden gehen ausserordentlich wertschätzend und tolerant miteinander um. Ausserdem achten wir bei Stelleninseraten sehr darauf, «divers» zu sein und – um nur ein Beispiel zu nennen – technische Berufe auch für Frauen attraktiv zu machen.

Die nächste Frage schliesst sich daran an: Wie illusorisch ist es, jungen Frauen den Ingenieur-Beruf schmackhaft zu machen?

Ich stelle eine Gegenfrage: Weshalb haben wir nicht mehr männliche Kindergärtner? Erstens denke ich, dass es erst in zweiter Linie darauf ankommt, wie viele Frauen tatsächlich Ingenieurinnen werden: Für mich ist es wichtig, dass jeder Mensch nach seinen Neigungen und Talenten glücklich werden kann und den Beruf ergreifen kann, den er oder sie ergreifen will. Für viele ist das bereits heute möglich. Aber vielleicht braucht es einfach noch ein bisschen mehr Zeit, um althergebrachte Strukturen zu durchbrechen und hinter uns zu lassen. Es ist beileibe aber nicht so, dass wir deshalb einfach nichts tun, im Gegenteil. Wir versuchen diese Zeit möglichst zu verkürzen, indem wir jene Frauen, die bereits ihren Weg gemacht haben, zu Botschafterinnen machen. Sie sind diejenigen, die junge Frauen am besten und aus erster Hand informieren können. Auf diese Weise können wir an Berufsmessen oder an Berufswettkämpfen Horizonte erweitern und das Spektrum an Möglichkeiten ausweiten.

Wie hält es RUAG mit der Lohngleichheit von Männern und Frauen?

Das ist uns wichtig, sehr wichtig. Und es ist für RUAG eine Selbstverständlichkeit. Wir haben gerade wieder das entsprechende Zertifikat bekommen, das SQS-Zertifikat «Fair Compensation».

Wie sehen Sie die Rolle der Arbeinehmervertreter (ANV) in der RUAG? Was ist Ihnen in der Zusammenarbeit mit der ANV wichtig?

Die Arbeitnehmervertretung spielt eine sehr wichtige Rolle bei RUAG: Die ANV ist sehr nah am Mitarbeitenden und hat so ein ganz anderes Vertrauensverhältnis. Ich bin immer wieder erstaunt, welche Themen dadurch an mich herangetragen werden. Zum Beispiel war die ANV gerade jetzt während des Lockdowns im Frühling ganz nah dran. Wir konnten durch ihre Vermittlung individuelle Lösungen für Mitarbeitende finden, die zum Beispiel nicht wussten, wie sie die Kinderbetreuung organisieren sollten oder wie sie mit Angehörigen, die zur Risikogruppe gehören, umgehen sollten.

Besonders wertvoll finde ich, dass die ANV uns regelmässig auch fordert. Sie bringt andere Sichtweisen als die unsere in verschiedene Themen ein, weil sie auch einen anderen Auftrag hat als wir in der Geschäftsleitung. Ich glaube, dass wir ein vertrauensvolles Verhältnis zueinander haben und wertschätzend miteinander umgehen, und das ist mir wichtig. Die ANV macht eine Wahnsinnsarbeit und ist für den Zusammenhalt im Unternehmen unabdingbar.

Sie sind eine der (noch) wenigen Frauen in einer Geschäftsleitung in der Schweiz (10 %, 94 Frauen, 50 % haben überhaupt Frauen in der Geschäftsleitung): Sehen Sie selbst sich als Exotin?

Überhaupt nicht. Für mich zählen Leistung und Fachkompetenz. Ich fühle mich nicht anders behandelt, weil es für mich und meine Kollegen kein Thema ist. Ob ich ein Mann oder eine Frau bin, spielt überhaupt keine Rolle. Ich bin fest davon überzeugt, dass nur zählt, die bestmögliche Persönlichkeit mit den bestmöglichen Fähigkeiten auf eine Position zu setzen. Ob Frau oder Mann spielt keine Rolle. Aber – und das ist mir wichtig – RUAG ist weiter als viele andere Unternehmen: Neben mir gibt es mit Melanie Gödecke noch eine zweite Frau in der Geschäftsleitung von RUAG. Ausserdem sind im fünfköpfigen Verwaltungsrat der RUAG MRO Holding zwei Frauen und im ebenfalls fünfköpfigen Verwaltungsrat der Dachorganisation, der BGRB Holding, sind es sogar deren drei, also die Mehrheit.

Wie zufrieden sind die Mitarbeitenden mit den Beratungsdiensten (Zusatzleistungen) der Personalabteilung?

Das ist eine Frage, die ich nicht abschliessend beantworten kann – das müssten eigentlich die Mitarbeitenden beurteilen. Was ich aber sicher sagen kann, ist, dass wir in den letzten beiden Jahren ganz sicher nicht so viel Zeit in Beratungen investieren konnten, wie wir wollten. Es gab im Zuge der Entflechtung einfach so viel Anderes, das wir zentral stemmen mussten, dass es dafür nicht immer reichte. Ich freue mich aber auf kommende, ruhigere Zeiten, in denen wir unseren Mitarbeitenden wieder die Aufmerksamkeit widmen können, die ihnen gebührt und die sie verdienen.

Worin liegt die Stärke Ihrer Arbeitgebermarke aus Sicht potenzieller Mitarbeiter?

RUAG bietet die Voraussetzungen und schafft ein Klima, in dem es möglich ist, seinen Beitrag zu leisten. Egal auf welcher Stufe oder auf welchem Platz man seine Arbeit verrichtet: Jeder Mitarbeitende bei RUAG kann mitgestalten und wird ernst genommen. Auf diese Weise bekommt der Slogan «Dein Beitrag macht den Unterschied» seine Bedeutung. Dieser Slogan ist nicht einfach irgendeine Brand-Idee. Er kam von den Mitarbeitenden. Bei jeder Befragung, bei der nach der Motivation für die Arbeit gefragt wurde, bekamen wir diese Antwort: Weil der eigene Beitrag einen Unterschied macht. Und das ist die grosse Stärke von RUAG.

Wie viele Anfragen oder Bewerbungen erhalten Sie für jede ausgeschriebene Position?

Das ist je nach Position und Fachbereich ganz unterschiedlich und variiert zwischen zwei und 200. Was wir aber deutlich merken, ist eine Hemmschwelle bei handwerklichen Berufen. Nehmen wir an, wir suchen F/A-18-Mechaniker. Und nehmen wir an, jemand mit einer Mechaniker-Ausbildung interessiert sich für diesen Job. Oft ist es dann so, dass die Interessenten und Interessentinnen denken, dass sie das sowieso nicht können. Hier möchte ich aber alle, die sich für Jobs bei uns interessieren, ermutigen: Bewerben Sie sich, melden Sie sich! Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen! Wir suchen immer wieder engagierte Berufsleute, die etwas Neues lernen möchten und ihren Beitrag leisten wollen!

Sie können hier noch einmal kräftig die Werbetrommel für RUAG rühren: Weshalb lohnt es sich, bei Ihnen zu arbeiten?

Für RUAG entscheiden soll sich jemand, dem der Inhalt seiner Arbeit und seines Jobs Freude macht. Jemand, der Spass daran hat, etwas weiterzuentwickeln und weiterzubringen. Jemand, der seinen Beitrag leisten will und weiss, dass dieser Beitrag wirklich einen Unterschied macht, hat es gut bei RUAG.

Vielen herzlichen Dank für das Interview. ■ (Bild: Michelle Mägerle, CHRO RUAG MRO Holding AG)

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