«Die künftigen Rentenleistungen der Bundesangestellten stehen aktuell politisch unter Druck»
Die Pensionskasse des Bundes PUBLICA ist eine selbständige öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtung. Sie ist als Sammeleinrichtung mit aktuell 18 Vorsorgewerke organisiert. PUBLICA berät rund 68’000 versicherte Personen und 42’000 Rentenbeziehende der Bundesverwaltung, verschiedener dezentraler Verwaltungseinheiten sowie rund 70 weiterer Organisationen, die dem Bund nahe-stehen, zu ihrer beruflichen Vorsorge. Mit einer Bilanzsumme von über 39 Milliarden Schweizer Franken per 31. Dezember 2022 gehört sie zu den grössten Pensionskassen der Schweiz. Seit November 2020 wird PUBLICA von Doris Bianchi geführt, die sich freundlicherweise für dieses Interview zur Verfügung gestellt hat.
Interview Etienne Bernard
Zentralsekretär swissPersona
Frau Bianchi, aus den bekannten Gründen befanden sich Ende 2022 mehrere Vorsorgewerke in Unterdeckung. Wie sieht die Situation heute aus?
Doris Bianchi: Dank der positiven Halbjahresperformance von 2,6% sieht die Situation aktuell etwas besser aus. Im Juli 2023 befanden sich drei von elf Vorsorgewerken noch in leichter Unterdeckung. Dabei handelt es sich um eine konjunkturelle Unterdeckung. Der Zinsanstieg hilft, die finanzielle Lage der Vorsorgewerke zu verbessern.
Wie sieht es mit dem Jahresende aus?
Die konjunkturelle Lage bleibt unsicher. Aufgrund der erhöhten Zinsen besteht in vielen Regionen eine Rezessionswahrscheinlichkeit. Aus diesem Grund ist auch per Ende 2023 mit einer Unterdeckung einiger unserer Vorsorgewerke zu rechnen.
Was können die versicherten Personen von der stärkeren Positionierung des dritten Beitragszahlers für die Strategieperiode 2023 bis 2026 erwarten?
Aufgrund der Unterdeckung ist kurzfristig nicht mit einer überdurchschnittlichen Verzinsung zu rechnen. Im November wird der Bundesrat den BVG-Mindestzins festlegen. Auch dieses Jahr werden die paritätischen Organe den Zinsentscheid auf dieser Messgrösse abstützen müssen.
Langfristig gesehen rechnen wir jedoch mit höheren Verzinsungen. Das hat zwei Gründe: Der aktuelle Zinsanstieg und die Anpassungen unserer Anlagestrategie.
Die durchschnittliche Jahresrendite von PUBLICA über den Anlagehorizont 2000 bis 2022 betrug 2,7%. Ist es für die grösste Schweizer Pensionskasse nicht möglich, mehr zu erreichen?
Die durchschnittliche Jahresrendite ist vom Risikobudget sowie von der Risikotoleranz der Kassenkommission mit den Vertretungen aus Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden abhängig. Das Risikobudget wird anhand der Struktur von versicherten und rentenbeziehenden Personen erstellt und ist vom Deckungsgrad abhängig.
PUBLICA hatte bei ihrer Gründung 2003 nur geringfügige Wertschwankungsreserven. Man wollte daher die Wahrscheinlichkeit einer Sanierung möglichst tief halten. Darum wurde damals auch eine vorsichtige Anlagestrategie gewählt. Im Wissen darum, dass auch in guten Jahren die Rendite tiefer ausfallen würde.
Die Renten wurden seit 2005 nicht mehr der Teuerung angepasst, was einem Kaufkraftverlust von rund 12% entspricht. Was ist der Grund dafür?
Das Bundespersonalgesetz schreibt vor, dass PUBLICA erst eine Teuerungsanpassung auszahlen darf, wenn der Deckungsgrad über 115% liegt. Dieser Wert ist hoch und wurde in der Vergangenheit nie erreicht. Dies, weil mit den erzielten Erträgen auch die Kosten für die Anpassungen der technischen Grundlagen, wie die Senkung des technischen Zinssatzes für die rentenbeziehenden Personen, finanziert wurden. Insgesamt mussten rund 5 Milliarden Franken für den Erhalt der Rentenzahlungen finanziert werden. Dieser Vorgang hat jeweils den Deckungsgrad tief gehalten. Zudem ist die zweite Säule anders als die erste Säule ein nominales System. Die Rentenhöhe ist fixiert. Bei schlechter finanzieller Lage der Pensionskasse bleibt die Rentenhöhe trotzdem garantiert. Ein Anspruch auf eine Rentenanpassung an die Teuerung besteht hingegen nicht.
Gibt es da nicht ein Problem?
Bei einer geringen Inflation ist die Situation nicht angespannt. Denn eine erwartete Teuerung von rund einem Prozent pro Jahr ist langfristig im Umwandlungssatz bereits berücksichtigt. Zudem bietet unsere auf drei Säulen basierende Altersvorsorge den Vorteil, dass zumindest die erste Säule einen Inflationsschutz bietet. Falls die Inflation jedoch über Jahre hoch bleibt, also deutlich über dem Inflationsziel der Nationalbank von null bis zwei Prozent Teuerung, ist der Kaufkraftverlust der laufenden Renten erheblich. Teuerungsanpassungen werden dann an Bedeutung gewinnen. Im besten Fall können diese dank den gestiegenen Zinsen auch finanziert werden.
Die Delegiertenversammlung hat eine Auslegeordnung gefordert, um Lösungen zu finden, die eine Anpassung der Renten ermöglichen. Welche Ansätze können Sie sich vorstellen?
Solange das Bundespersonalgesetz eine starre Grenze von 15% der Wertschwankungsreserve für die Gewährung einer Teuerungsanpassung festlegt und diese nicht erreicht wird, können Teuerungsanpassungen einzig freiwillig durch den Arbeitgeber finanziert werden. Damit wir als Pensionskasse des Bundes mehr Handlungsmöglichkeiten erhalten, müsste das Bundespersonalgesetz angepasst werden. Dann könnten auch bei einem Deckungsgrad von unter 115% Teuerungsausgleiche an rentenbeziehende Personen ausbezahlt werden.
PUBLICA wird die sieben geschlossenen Vorsorgewerke zu einer einzigen Einheit zusammenführen. Würde es auch Vorteile bringen, die elf offenen Kassen zu fusionieren?
Ein Zusammenschluss bringt Effizienzgewinne. Die Verwaltungskosten der offenen Vorsorgewerke würden dadurch leicht sinken. Und auch aus Risikosicht gibt es Vorteile. Wir haben mehrere kleine Vorsorgewerke, wo das Gesetz der grossen Zahlen nicht richtig spielen kann. Mit einem Zusammenschluss der offenen Vorsorgewerke wären somit die Risiken besser verteilt.
Die paritätischen Organe der dezentralen Verwaltungseinheiten konnten sich zur Arbeitshypothese «Zusammenführung von offenen Vorsorgewerken» äussern. Die Haltungen dazu sind unterschiedlich. Jedes Vorsorgewerk hat eigene Prioritäten, die sie gewichtet. Zwei Argumente dafür sind beispielweise tiefere Kosten und die Verbesserung der Risikostruktur, ein Argument dagegen ist der Verlust der Autonomie des Vorsorgewerks – beispielsweise bei der Ausgestaltung der Vorsorgepläne.
Das Referendum gegen die BVG-Reform ist eingereicht und das Volk wird entscheiden. Die Reform soll das Rentenniveau insgesamt erhalten, hatte sich der Bundesrat als Ziel gesetzt. Die vom Parlament verabschiedete Vorlage verfehlt dieses Ziel nun allerdings deutlich. Die Finanzierung der Ausgleichsmaßnahmen zugunsten der Übergangsgeneration ist noch sehr unklar und wird für die Pensionskassen, die keine Zuschüsse des Sicherheitsfonds erhalten werden, ungerecht sein. Der Schweizerische Pensionskassenverband (ASIP) sowie die Schweizerische Kammer der Pensionskassenexperten (SKPE) sprechen von einer äusserst komplexen Lösung und von einer massiven Erhöhung der Verwaltungskosten. Wie ist Ihre Einschätzung zu diesen Punkten?
Die bei PUBLICA versicherten Personen sind von der BVG-Reform, die das Obligatorium betrifft, kaum betroffen. Die PUBLICA-Leistungen sind stark überobligatorisch. Die Anpassungen in der obligatorischen Altersvorsorge, die bei der Reform zum Zug kommen, zeigen bei PUBLICA praktisch keine Wirkung. Von den Massnahmen für die Übergangsgeneration würden nur rund fünf Prozent unserer versicherten Personen profitieren. Auswirkungen aus der BVG-Reform hätten wir hingegen in den administrativen Tätigkeiten und in der Finanzierung. Wir müssten höhere Beiträge an den Sicherheitsfonds leisten, auch wenn wir keine Zuschüsse erhalten würden.
Falls die Reform abgelehnt wird, was wären die kurz- und mittelfristigen Folgen für PUBLICA und damit für ihre versicherten Personen?
Aufgrund unserer überobligatorischen Leistungen werden wir die Folgen eines Neins auf der Leistungsseite nicht spüren. In der Betriebsrechnung würden dann die zusätzlichen Aufwände und Kosten entfallen.
In der letzten Session hat der Nationalrat zwei Motionen angenommen, die den Bundesrat beauftragen, die Aufteilung der BVG-Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Verhältnis 45% zu 55% anzupassen beziehungsweise den Satz der Altersgutschriften, die der Arbeitgeber Bund seinen Arbeitnehmern auszahlt, auf maximal 5% des gesetzlichen Minimums zu begrenzen. Das Hauptargument der Motionäre ist, dass die aktuellen Beiträge weit über das hinausgehen, was das Gesetz vorschreibt und was im Privatsektor üblich ist. Wie beurteilen Sie diese Frage?
Beide Motionen führen zu einer drastischen Verschlechterung der künftigen Rentenleistungen. Der Kaderplan, der ab Lohnklasse 24 gilt, würde als Vorsorgeplan aufgehoben werden. Durch die tieferen Beiträge von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden wäre eine Rentensenkung von 15% bis 20% die Folge. Der Vergleich mit den im Gesetz vorgeschriebenen Beiträge greift zu kurz. Wir wenden beispielweise nicht den im Gesetz festgelegten Umwandlungssatz von 6,8% an. Sondern einen tieferen Umwandlungssatz von 5,09%. Folglich kompensieren die höheren Beiträge von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden auch den tieferen Umwandlungssatz. Und dass die Vorsorgeleistungen in der Privatwirtschaft weit tiefer sind, ist nicht korrekt. Dort gibt es beträchtliche Unterschiede. Bescheiden sind die Vorsorgeleistungen in der Gastronomie oder im Gewerbe. Grosse Unternehmen in der Pharmabranche oder im Finanzwesen sind mit den Leistungen im Bundesumfeld vergleichbar. Dort ist die Arbeitgeberbeteiligung auch ähnlich hoch wie bei PUBLICA.
Welche Botschaft möchten Sie abschliessend unseren Lesern übermitteln?
Die künftigen Rentenleistungen der Bundesangestellten stehen aktuell politisch unter Druck. Es drohen Verschlechterungen, welche die nächste Generation hart treffen würden. Die Personalverbände müssen ihre wichtige Rolle für die Wahrung der Interessen der Arbeitnehmenden spielen und sich im politischen Prozess einbringen. Die Motionen der SVP-Fraktionen werden in den nächsten Sessionen im Ständerat beraten werden. Es ist wichtig, dass die drastischen Verschlechterungen aufgezeigt werden.
Vielen Dank, Frau Bianchi. ■ (Bild: Dr. Doris Bianchi, Direktorin der Pensionskasse des Bundes PUBLICA)